Harz - Reiseskizzen von Bernd Zillich    
 
                   
   
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Wernigerode
St. Andreasberg
   
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Der Harz
Natur · Geschichte · Kultur: Eine Bilderreise
 
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St. Andreasberg

Als ich die Grenze der ehemaligen DDR in Richtung Westen passierte, geschah das nicht ohne Herzklopfen. Nach meinen bisherigen sehr positiven Erfahrungen im Osten war ich äußerst neugierig, wie unbeschadet der westliche Teil des Harzes über die Zeit ge­kom­men war. War doch Goslar – ich muss ge­steh­en muss, dass ich sehr stren­ge Maßstäbe setze – eher eine Enttäuschung für mich. Um mir weitere Des­il­lu­sio­nen zu er­sparen, wollte ich fürs Erste auf den Besuch größerer Ortschaften ver­zichten. So schien mir Sankt Andreasberg, die alte Bergstadt im Oberharz, nicht schlecht als Ver­suchskaninchen geeignet. Sankt Andreasberg liegt zwischen 400 und 800 m über dem Meeresspiegel, mitten im Nationalpark Harz, und ist "von den unter Naturschutz steh­en­den Oberharzer Bergwiesen, Wäldern und Berge umgeben". Das klang beruhigend.

Berghotel Glockenberg

Kaum zu glauben: Das Hotel [] wurde erst 1953, damals unter dem Namen Glock­en­bergbaude eröffnet. Wenn ich aber das eher dunkle und düstere Speiserestaurant betrachte, so könnte ich denken, es sei wesentlich älter, oder zumindest, dass die Zeit in den 1950er Jahren stehen gelieben sei. Obwohl nach der Wende vieles an die­sem Hotel erneuert, renoviert und neu gestaltet wurde, bleibt das Ergebnis bieder, eintönig, zwar rustikal in Ansätzen, aber eben nur eine Spur.

Und dennoch: Der große Raum, dessen konventionell-gemütliche Nüchternheit nicht gerade besticht, wird durch die breite Fensterfront, die den Blick auf die schimmern­den Dächer des Ortes ermöglicht, fast in den Adelsstand erhoben. Aus dem Hinter­grund berieselt uns Musik aus eben jener Zeit. Man könnte denken, es würde jeden Augenblick Peter Kraus auftreten und nostalgische Gleichaltrige zum Tanz aufmun­tern. Tatsächlich ist der große Saal aber fast leer. Außer mir sind nur zwei Tische besetzt. Ein älteres Ehepaar und eine alleinstehende Frau, die sich von Zeit zu Zeit angeregt von Tisch zu Tisch unterhalten.

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Sankt Andreasberg: Hotel Glockenberg und Aussicht Abendliche Stille
Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Leere und dieses in Ansätzen rustikale, je­denfalls sehr deutsche Ambiente auf manche Gäste eine ernüchternde, wenn nicht sogar deprimierende Wirkung ausüben. Auf mich wirken sie – vielleicht auch weil das Köstrizer Dunkel bereits seine Hände im Spiel hatte – eher beruhigend, wie vieles, das mich an alte Zeiten erinnert, Dinge, nämlich, die bereits in einer Ecke meiner Erinnerung lagern (Bücher, Filme, Märchen, tatsächlich Erlebtes) und von dort aus immer wieder Gefühle hervorrufen, die mit meinem Alltag kaum etwas zu tun haben.

So kann es geschehen, dass mich Fachwerkhäuser und rote Dächer ins Mittelalter versetzen und mir Märchen wie jenes der sieben Schwaben oder der Bremer Musi­kanten so deutlich vor den Augen erscheinen lassen, dass ich denken könnte, ich sei ein direkter Zeuge des Geschehens. Und auf gleicher Weise kann das Lesen eines Gedichts – Heine? Storm? Rilke? - bewirken, dass ich mich im Bruchteil einer Sekun­de zutiefst "deutsch" fühle.

Was sind wir denn für Wesen, dass bereits ein Geruch, ein Geschmack oder ein Klang ausreicht, um in unserem Kopf eine (jedes Mal verschiedene) Welt entstehen zu las­sen, die uns in Sekundenschnelle von einer Epoche in die andere fliegen lässt, von einem Land ins andere, von einem Augenblick unseres Lebens in ein anderes, das vielleicht Jahrzehnte zurück liegt?
Wie "deutsch" ist doch dieser Harz mit seinen dunklen Wäldern, die für die Wan­der­lust der Deut­schen und deren fast mythischen Liebe zum Wald wie ge­schaf­fe­ne sind, wie sehr spiegelt sich in ihnen meine Sehnsucht nach dem "Knus­per­häus­chen" und der "Mühle am rauschenden Bach"!

Von diesen Empfindungen überwältigt und getragen kommt für mich, obwohl ich mit italienischer Küche aufgewachsen bin und kulinarische Experimente sonst kaum scheue, nur noch Hausmannskost in Frage. Das Eintunken der Knödel oder Kartoffeln in die Soße bekommt für mich einen fast rituellen Charakter, das Abendessen die Kraft des Nach-Hause-gefunden-haben.

Abendspaziergang.

Gleich oberhalb des Hotels, auf der Kuppe des 629 m hohen Glockenberges, steht das weithin sichtbare Wahrzeichen der Bergstadt, der Glockenturm. Wie es in allen Berg­städten früher üblich war, wurde hier morgens um 4 Uhr angeläutet, um die Bergleute zu ihrer Schicht zu rufen. Jetzt leuchtet der angestrahlte Turm in der Dun­kel­heit der Sternennacht. Gleich dahinter fängt die Einsamkeit an. Ich kann mich nach Herzenslust ausschweigen.

Mittwoch, 17. Oktober
Sankt Andreasberg

Bei Sankt Andreasberg ist der Harz kein dunkles Mittelgebirge, sondern eine lichte Hügellandschaft mit vielen offenen Aussichten. Die Stadt strahlt mit seinen kleinen, oft holzverschalten Bergmannhäusern Gemütlichkeit aus. Das markanteste Element des Stadtbildes sind aber die fünf annähernd parallel verlaufenden "steilen Straßen", die die Oberstadt und die Unterstadt miteinander verbinden. Sie verleihen der Stadt ein ganz besonderes Flair, das in dieser Art keiner der Orte im Harz, die ich auf die­ser Reise gesehen habe, zu bieten vermag. Rekordhalter ist die Herrenstraße mit einem Gefälle von 20 %. Sie ist damit die steilste Stadtstraße Westdeutsch­lands.

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In den Wäldern bei Sankt Andreasberg
Höhenwanderung
Von der Wanderung zur Silberhütte und zurück ist nicht viel zu sagen, außer dass das graue und trübe Wetter dem Herbst seine Leuchtkraft genommen hat, ich kaum einer Menschenseele begegnet bin und mich ein paar Mal verlaufen habe. Als ich endlich am Berg­gast­hof Michaelsbaude ankam, regnete es bereits.

Da die sportliche Leistung meiner Wan­derung nicht exzessiv war, will ich nur ein "leichtes Essen" zu mir nehmen. Leider entpuppt sich die durchaus schmackhafte Bockwurst mit Kartoffelsalat aber, dank der merkwürdigen weißen Soße dazu, die aus Mayonnaise und Sahne besteht, als das genaue Gegenteil von leicht.

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Die Vogelstimmen-Uhr In Sankt Andreasberg

Von der Pächterin erfahre ich, dass es dem Westharz jetzt schlechter geht als dem Ostharz, weil letzterer stärker subventioniert und modernisiert wurde, aber dabei intakt geblieben ist, was ihn touristisch interessanter macht. Im Westen wurde in den 1970er Jahren, als der Glaube an das Moderne besonders stark war, vieles verpatzt. Die paar modernen Klötze, die keine Zierde des Ortes seien, meint sie, stammten genau aus dieser Zeit.

Donnerstag, 18. Oktober
Nach Hause
Auf der Rückfahrt gibt es Regen und Regen. Grau, verhangen, düster, trostlos zieht sich die Landschaft vor mich hin. Nur ab und zu und urplötzlich, wenn die Wolken­decke aufreißt, wird es vorübergehend klar und zeigt sich mir ein heller Streifen am Horizont, der, wenn die Herbstfarben, die Hügel, die Täler zusammenspielen – fas­zi­nierend ist.
     
   
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