Harz - Reiseskizzen von Bernd Zillich    
 
                   
   
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Wernigerode
Im Elendstal
   
   
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Nationalpark Harz
Auf Goethes Spuren
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Samstag, 13. Oktober 2007
Wanderung im Elendstal
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Wanderer in Schierke Hotel in Schierke Schlösschen bei Schierke
Die Sonne lacht mich zu einem Spaziergang hinaus. Erstaunlich, wie abwechs­lungs­reich der Harz sein kann. Das 1961 unter Naturschutz gestellte Elendstal, das in Goethes "Faust" verewigt wurde, ist eines der natürlichsten und ursprünglichsten Täler des Harzes. Plätschernd und rauschend fließt hier die Kalte Bode bei nur ge­ringem Gefälle von Schierke hinab nach Elend.
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Wandern im Elendstal
Die packende Wildheit und die engen Schluchten des Bodetals fehlen hier völlig, es ist eine liebliche, sanfte Wildnis, in der ich wandere. Mühelos und entspannt folge ich dem mäandernden Fluss inmitten einem idyllischen, prächtig verfärbten Buchen­misch­wald. Die Landschaft ist von einer sich selbst überbietenden Herbststimmung durchdrungen, die mir gleichzeitig zu Gelassenheit und Hochstimmung verhilft, was einem Glücksgefühl sehr nahe kommt. Mir fehlen die Worte.
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Wandern im Elendstal
Als ich in Elend ankomme und den unscheinbaren Ort, der nur aus der Hauptstraße und ein paar Häusern zu bestehen scheint, in Augenschein nehme, kann ich mir einen boshaften Gedanken nicht verkneifen. Der ungewöhnliche Name soll aber nicht auf die schlechten Lebensverhältnisse der Bewohner des Oberharzes zurückzuführen sein ; denn diese waren im Mittelalter nicht schlechter als woanders. Tatsächlich hat der Name des Ortes seinen Ursprung im althochdeutschen Wort "eli - lenti", was sich er­klärt wie "anderes, fremdes Land". Durch Vokalangleichung wurde daraus das mittel­hoch­deutsche "Ellende", und daraus unser neuhochdeutsches Wort "Elend". Einige Namenskundler sind allerdings der Überzeugung, dass in der Tat der Name die zur Zeit der Gründung des Ortes herrschenden bitteren Verhältnisse beschreibt. Alles war Wald, alles war unwegsam, man "überlebte" als Waldarbeiter, als Köhler oder als Minenarbeiter eher als man "lebte".
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Im Bahnhof Elend Bahnhofgaststätte
Die einzige Sehenswürdigkeit des Ortes steht im Bahnhof. Es ist die schwarze Dampf­lokomotive mit ihren touristenüberfüllten altmodischen Waggons. Dutzendweise ste­hen die Menschen, auf die Abfahrt des Zuges wartend, rund um das technische Meis­terwerk vergangener Zeiten und bewundern und fotografieren es mit ausgestreckten Armen und von jeder nur denkbaren Perspektive bis ins kleinste Detail.
Bei einem süßlichen Dunkelbier genieße ich eine Zeit lang die laue Mittagssonne. Dann – es ist bereits drei Uhr – begebe ich mich auf den Rückweg. Der Weg zurück nach Schierke soll mich am Barenberg und den sogenannten Schnarcherklippen vorbeiführen. Hier, nicht mehr unmittelbar am Bach entlang, ist die Waldlandschaft völlig anders, auf merkwürdige Art trister, stiller und einsamer. Die Nach­mit­tags­stun­de und eine leichter Schleier am Himmel haben das herzerwärmende Leuchten ver­schwinden lassen, aber es ist mehr als das: Die Laubwälder, und mit ihnen die Far­ben, sind verschwunden. Dieser Wald ist ein reiner Fichtenforst, eine Baumplantage, wie ich es von anderen Wirtschaftwäldern in Deutschland bereits kenne. Kaum Unter­holz, kaum Totholz, das den Käfern einen Unterschlupf gewährt, kaum weiche Moos- und Blätterteppiche – es ist bedrückend.
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Die Schnarcherklippen: Felsen mit Aussicht auf den Brocken
Angesichts der fortgeschrittenen Zeit lasse ich den Barenberg links liegen und steue­re direkt auf die gewaltigen Schnarcherklippen zu, die beiden eindrucksvollen Granit­fe­lsen, die durch Johann Wolfgang von Goethe, der sie 1784 besuchte, Einzug in die Weltliteratur fanden.
"Seh die Bäume hinter Bäumen,
wie sie schnell vorüberrücken,
und die Klippen, die sich bücken,
und die langen Felsennasen,
wie sie schnarchen, wie sie blasen!"
Die Schnarcherklippen sind ein eindrucksvolles Naturdenkmal, das sich hoch über dem Elends­tal bis zu 671 Meter über den Meeresspiegel erhebt. Ihren eigen­artigen Namen bekamen sie, weil sie bei Südostwind Geräusche erzeugen, die dem Schnar­chen ähneln. Die beiden etwa 20 Meter voneinander entfernt stehenden und etwa 25 Meter hohen Felsentürme gehören zum Brockengranitstock. Auf einen der beiden Felsen führt eine steile Eisenleiter hinauf. Die herrliche Aussicht, die man von dort oben genießt – heute ist sogar das Brockenmassiv klar zu sehen – macht die Mühe des Auf­stiegs lohnend.
Im Restaurant "A Pao"
Es ist, als hätten sich die Menschen aus dem Nichts heraus materialisiert. Tagsüber, im Wald, bin ich kaum jemandem begegnet, und jetzt sind alle Gaststätten gesteckt voll. Gerade noch kann ich einen Tisch im chinesischen Restaurant "A Pao" ergattern. Wo waren denn alle tagsüber? Ich brauche nicht lange, um die Gewissheit zu er­lan­gen, dass sie alle, eine einzige riesige Herde aus Hunderten von Pilgern, auf dem Brocken unterwegs waren! Der Gedanke, morgen selbst zum Schaf werden zu müs­sen, behagt mir kaum. Aber was soll's? Ich lass mir die gebratene Ente schmecken.