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Cienfuegos, 24. Februar
Zauber einer Stadt

Worin besteht Exotik? Wonach werde ich einmal Sehnsucht haben? Nach einem Sonntag Mittag an einem Kiosk mit Blick aufs Meer in einer Provinzstadt in Cuba? Nach der Berieselung mit Schlagern, die auf keiner Hitliste stehen, von denen ich nur Satzbruchstücke und Einzel­wör­ter wie llorando, con migo, amando, corazon und soy feliz oder entiendeme, te quiero heraushöre (weinend, mit mir, liebend, Herz, ich bin glücklich, hör mich, ich liebe dich)?
Werde ich mich an die junge Frau erin­nern, die am Ne­ben­tisch im Rhythmus der Musik mit den Fingernägeln auf einen Plas­tikbecher klopft? An diese la­tein­amerikanische Rhythmen, die die ewige amerikanische Popmusik aus­nahms­weise verdrängt haben?
Werde ich mich einmal nach dieser Hafenbucht sehnen, in der vereinzelte Frachter und ein Segelschiff vor Anker liegen und nur ab und zu eine leichte Brise die Wasseroberfläche kräuselt? Und nach diesem Sonntag Mittag in dieser eher verschlafenen Provinzstadt?
Alles ist hier völlig unspektakulär, kein Hauch von Karibik-Gefühl überkommt mich, nur die Freude beim Beobachten der kleinen Leute aller Haut­schat­tierungen, die die Cafeterias und Schnellimbisse entlang des Malecon bevölkern. Paare Hand in Hand, schwarze Kinder mit roten Schleifen in den krausen Zöpfchen und lautstarke Musik, der man bei besten Willen nicht entkommen kann. Und nach dem gestrigen Regen ein stechend klares Licht und die beru­hi­gen­de Wirkung der ruhigen Was­ser­oberfläche.
Die Meerpromenade in Punta Gorda ist von sparrigen Palmen und einzelnen stark vernachlässigten Kolonialvillen gesäumt. Diese wunderbaren Kolonialbauten sind in diesem feuchten Tropenklima leider dem Verfall überlassen, denn für die Instandsetzung der alten Paläste ist kein Geld da. Auch können die hübschen Fassaden nicht über die ärmlichen Lebensverhältnisse hinwegtäuschen. Denn in den einstigen Prachtdomizilen logieren heute Familien aus dem Volk oder auch staatliche Insti­tu­tio­nen wie der Sportclub der Jugend­orga­ni­sation.
Während Roberto mit 38° Fie­ber und Montezumas Rache in seinem Zimmer liegt und döst, wird es für mich ein Nachmittag des Herumschlenderns, der Schat­tensuche (nicht wegen der Hitze, sondern wegen des an­stren­genden gleißenden Lichts) und des Abschaltens. Das Fotografieren stelle ich ein wenig zurück. Nur an der Südspitze von Punta Gorda, wo der "Palacio del Valle", ein eigenwilliges Bauwerk im Neumaurischen Stil, meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, ein Pavillon direkt am Meer Atmosphäre zaubert und zahlreiche weitere, teilweise arg lädierten Kolonialvillen locken, führe ich ein paar Mal die Kamera ans Auge.

Cienfuegos, 25. Februar

Nach fast eineinhalb Tagen Schlaf fühlt sich Roberto endlich wieder fit für die Weiterreise. Während ich ein reichhaltiges Frühstück zu mir nehme mit Tortillas - das klingt exotisch, es sind aber nur einfache Omeletts -, Obstsaft, Kaffee und Mengen von zurecht geschnittenen Orangen und piñas (Ananas), trinkt er nur etwas Kaffee, um seinen Kreislauf anzuregen.
Dann geht die Fahrt weiter. Auch diesmal ist die Landschaft flach, trocken-braun und wenig inspirierend, aber wir wissen, dass es nur etwa 70 Kilometer bis zu unserem nächsten Ziel, Trinidad, sind. Die sind schnell vorbei.

Trinidad

Herrliche pastellfarbene Fassaden und riesige, rejas genannte vergitterte Fenster sind das Auffälligste in dieser von der UNESCO als Kulturerbe der Menschheit unter Denkmalschutz gestellte Stadt. Die rejas dienen mehr zur Kom­mu­nikation als zum Schutz. Hier kann man wunderbar aus dem kühlen Schatten der Zimmer oder der kleinen Verandas das Kommen und Gehen der Menschen in der Stadt beobachten, die Nachbarn begrüßen und die Einrichtungen mit dunklen Holz­möbeln, Schaukelstühlen, Heiligen­bil­dern, Spitzendecken und allerlei Nippes zur Schau stellen.
Zwangsläufige Folge und einziger Nachteil all dieser Herrlichkeit ist, dass der Tourismus eine zu große Rolle bekommen hat. Zwar nicht für die Einwohner, denn diesen bringt er ja einen bescheidenen Wohlstand, nein, für die Besucher selbst. Ein wenig Echtheit ist durch diese Berühmtheit verloren gegangen. Denn die Stadt stellt sich zur Schau, passt sich an, richtet sich fast nur nach den Fremden aus. So brauchen wir uns nicht zu wundern, dass uns an allen Ecken andere Touristen entgegen laufen, und dass es schwieriger ist als woanders, eine Unterkunft zu finden.
So ist bei der Adresse, die uns unser Gastgeber in Cienfuegos mitgegeben hat, kein Zimmer mehr frei. Und das ist schade, denn das Ambiente hätte mir außerordentlich gut gefallen. Aber hier kennt jeder jeden, und im Nu werden wir weitervermittelt. Es sind nur wenige Meter bis zum Hauptplatz, wo wir endlich das erste Zimmer finden (das ich beziehe), und ein paar Gassen weiter bekommen wir schließlich auch eine Herberge für Roberto.
Wenn man von der dicken Kakerlake absieht, die ich in meinem Badezimmer finde (es wird auch die einzige bleiben), ist meine Unterkunft näher am westlichen Standard als alles, was ich bisher in Kuba erlebt habe.
Nachdem wir uns etwa eine Stunde ausgeruht und etwas erfrischt haben, tauchen wir neugierig und voller Tatendrang in die Stadt ein. Wir brauchen uns nur wenige Schritte von der restaurierten Plaza Mayor mit ihren frisch gestrichenen Fassaden zu entfernen, vom musealen Teil dieser von Scharen von Touristen bevölkerten Stadt, und schon finden wir bescheidenere, verwinkelte Gassen, wo der Kopfsteinpflaster noch etwas unregelmäßiger ist und mehrere Schichten von Putz von den Wänden abbröckeln und aus diesen bunte Kunstwerke macht. Hier ist der Charme des kolonialen Städtchens noch intakt und völlig unaufdringlich. Hier schwingen Kinder auf kleinen Plätzen, die zu Baseballplätzen umfunktioniert werden, die Schläger, sitzen Men­schen plaudernd oder nicht­stuend vor der Haustür oder am Straßenrand um kleine Tische beim Dominospiel oder repa­rie­ren mit großen technischen Geschick ihre uralten ame­ri­ka­nischen Automobilen. Die Ben­zinknappheit und der per­ma­nente Mangel an Er­satz­teilen hat die Kubaner sehr erfinderisch gemacht. So werden die Tanks mit allem, was flüssig und halbwegs brennbar ist, gefüllt, und deswegen klappert unter einer Fordkarosserie manchmal auch ein Buickmotor.