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Reisebericht Kuba
 
Spanisch für Kuba
Kauderwelsch, Spanisch für Cuba Wort für Wort
von Alfredo L. Hernandez
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Maximo Lider
Maximo Lider.
Fidel Castro
Eine Biografie

von José de Villa
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Kuba
Lonely Planet Kuba (Deutsche Ausgabe)
von Brendan Sainsbury
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Auf in den Westen Kubas

Gegen Mittag fahren wir los. Ich frage, was unser Auto für ein Fabrikat sei. "Hyundai", erklärt Omar, "ein Fahrzeug aus Korea". Und er präzisiert gleich: "Aus dem demokratischen Teil - nicht aus dem anderen Korea, dem ter­ro­ris­tischen". Aber schon grinst er: "Terroristisch für die Amerikaner".
Unsere Fahrt führt uns lange durch die Villenvororte Havannas, wir sehen auch die Residenz von Fidel Castro, einen riesigen Komplex, halb Park, halb Vil­len­viertel, das nicht gerade egalitär wirkt.
Entlang der Straßen kommen uns dauernd riesige Plakate oder Banner mit schreienden Revolutionsparolen entgegen.
"Solo la unidad nos da la firmeza y la victoria" (Nur die Einheit gibt uns die Kraft und den Sieg),
"Nada ni nadie podra impedir el triunfo de la verdad e de la justitia" (Nichts und niemand wird den Triumph der Wahrheit und der Gerechtigkeit verhindern),
"Solo vencen los que luchan y resisten" (Es gewinnen nur jene, die kämpfen und Widerstand leisten),
"Artemisia, con Fidel y la patria" (Artemisia, mit Fidel und dem Vaterland). Zur Erklärung dieses Satzes muss gesagt werden, dass es in der kleinen Stadt Artemisia war, wo 1953 der erste revolutionäre Aufstand seinen Anfang nahm. Hier wurde der Überfall auf die Moncada-Kaserne in Santiago di Cuba geplant.
Als wir auf einer Art Autobahn in Richtung Westen fahren, ist die Landschaft grün, mit kleinen Palmehainen bewachsen und mit sanften Hügeln im Hintergrund. Ab und zu überquert ein Mann zu Pferd seelenruhig die Fahrbahn. Merkwürdigerweise fange ich erst jetzt wirklich an, zu spüren, dass ich weit, weit Weg von allem, was mir gewohnt ist, bin.
Als wir beim ersten Tanken versuchen, mit einem 100-Dollar-Schein zu zahlen, erhebt der Tankwart Einwände, die wir nicht gleich verstehen. Ich denke zuerst, er hätte kein Wechselgeld. Aber da reicht ihm Omar bereits seinen Ausweis und erklärt uns, dass man sich in Kuba bei größeren Scheinen identifizieren muss und darüber hinaus auch angeben muss, woher man kommt und wohin man fährt. Ich finde es befremdend.
Das monotone Rütteln und Schaukeln des Autos auf dem eher holprigen Straßenbelag und ein trauriges, öfter wiederholtes Lied aus der Kassette über desparecidos (die Verschwundenen) schaffen es, mich allmählich einzulullen und in mir ein Gefühl von leichter Melancholie aufkommen zu lassen; ich fühle mich in diesem Land zwar fremd, aber es ist trotzdem, als ob ich irgendwo "zu Hause" ankommen würde; das Anstrengende, die Mühe des Reisens und des Sehens, sie lassen mich an die weit größere Mühe im Leben der Kubaner denken, und schaffen es, mir dieses Land und seine Menschen sehr nahe zu bringen.

Soroa

Unsere erste Etappe ist Soroa, in der Sierra del Rosario. Für "läppische" drei US-Dol­lar bekommen wir eine Erfrischung und dür­fen den halben Kilometer langen Weg zu einem eher bescheidenen Wasserfall antreten, wo ich, um nicht ganz dem Gefühl zu unterliegen, das Geld weggeworfen zu haben, ein Alibifoto schieße.
Etwas interessanter und völlig kostenlos ist der Weg hinauf zum Mirador de Venus, von wo wir eine sehr schöne Aussicht über die Sierra genießen können.
Dann geht die Fahrt weiter, Kilometer um Kilometer über die staubige Autobahn in Richtung Westen.
Über Pinar del Rio, der Zigarren-Hauptstadt von Ku­ba ist bereits das sanfte Nach­mit­tags­licht ge­kom­men. Das Aus-dem-Au­to­fens­ter-schauen wird im­mer mehr zur Freude. Weitaus ein­drucks­vol­ler als jede Architektur präsentiert sich die Natur. Von Pinar aus windet sich die Straße langsam durch immer dichter werdende Pinienwälder an groß­artigen Ausblicken vorbei ins Tal von Viñales, eine der eigentümlichsten Landschaften Kubas.

Im Viñales-Tal

Als wir beim Hotel "Los Jazmines" ankommen, sind wir von seiner traumhaften Lage so begeistert, dass wir die Weiterfahrt nach Viñales und die Unterkunftssuche unterbrechen und uns für eine cerveza (Bier) am Rande des Hotel-Swimmingpools niederlassen. Man hat von hier einen fantastischen Ausblick auf das Tal von Viñales mit den Mogotes genannten Kalksteinkegel, die bizarr und steil aus den Feldern emporragen und bis oben mit üppigem Grün bewachsen sind.
Die laue Spätnachmittagsonne, der Auf­ent­halt am Pool, der mit seiner intensiv-blauen Farbe einen reizvollen Kontrast zum dunklen Grün der Landschaft bietet, die Stille und nicht zuletzt das kühle Glas Bier verleiten leicht zum Phi­lo­so­phieren und Diskutieren.
Auch Omar wird gesprächig. Natürlich redet er von seinem Lieblingsthema, den chicas, und erklärt uns, dass es nicht nur den Touristen verboten ist, in dieses Ho­tel Kubanerinnen mit­zunehmen, nein, es dürfen hier überhaupt keine Kubaner übernachten. Es ist ein reines Tou­ris­tenhotel.
Über die Aussicht kommen wir im Gespräch zur Fotografie, von dieser zum berühmten Che-Guevara-Bild des kubanischen Fotografen Alberto Korda und von Che zu Fidel Castro. Omar, der nicht gerade mit dem Regime sympathisiert, nennt den Maximo Lider dennoch einen begnadeten Redner. Er stehe im Guinness Buch der Rekorde wegen der längsten Redezeit (6 Stunden und 15 Minuten) und die Faszination seiner Redekunst packe wirklich alle, Omar selbst habe immer mit großer Begeisterung zugehört.
Fidel, so erzählt er weiter, habe mehr als 300 Attentate überlebt. Es habe einen Attentäter gegeben, so erzählt er, der es geschafft hatte, eine Pistole in einen Fotoapparat zu versteckt, mit der er Castro töten wollte. Als er aber vor ihm stand, sei er schließlich derart von ihm beeindruckt gewesen, dass er sich vor Aufregung in die Hose pisste und floh. Er wurde schließlich von der Geheimpolizei gefasst. Die beste der Welt, behauptet Omar.
Es wird dunkler und wir fahren die letzten Kilometer nach Viñales mit etwas Unruhe wegen der uns noch bevor stehenden Unterkunftssuche.

Viñales

In Viñales angekommen sieht es zuerst auch so aus, als wären alle casas bereits besetzt. Dies ist jedenfalls Omars Behauptung nach seiner eher lustlosen Suche von Tür zu Tür. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass unser "Guide" lieber anderswo übernachten möchte. Vielleicht, weil es hier keine Diskotheken gibt? Und er deshalb keinen chicas nachlaufen kann?
Mir jedenfalls gefällt dieser Ort zu gut, als dass ich ihn vorzeitig verlassen möchte. Ich fühle mich - ich brauche mir dabei nur vorzustellen, es gäbe keine Autos - in eines dieser kleinen pueblos (Dörfer) versetzt, wie man sie aus unzähligen Mexiko-Westerns kennt. Das Städtchen besteht nur aus einer Hauptstraße mit einigen Bars und Geschäften und drei oder vier dazu parallelen, kaum von einander zu un­ter­scheidenden Straßen. Sie sind von kleinen, ein­stöck­igen pastellfarbenen Häusern gesäumt, die zur Straße hin ein Art Veranda haben, eine überdachte, von der Straßen durch ein Holzgeländer und ein­zel­ne dünne Säulen abgegrenzte schmale Plattform. Unweigerlich stehen dort einige Schau­kel­stühle, auf denen zuweilen alte Männer mit gegerbten Ge­sich­tern schaukelnd vor sich hin sinnieren und die Vor­bei­gehenden mit "olá" begrüßen. Die Mini­be­hau­sun­gen führen manchmal Namensschilder wie: casa Hec­tor, casa Camilla, casa dogo, rent a room, Villa Barbie y Omar, Gonzalo Rodriguez "El Toronto", Mirtha Azcui, chambre a louer, Villa La Cabana, Villa Maura.
Wir drängen Omar, doch noch einmal von Haus zu Haus zu gehen und nach Über­nach­tungs­mö­glich­keiten zu fragen. So finden wir schließlich auch zwei Zimmer, aber in zwei unterschiedlichen Häusern. Omar bezieht etwas entfernt von unseren ein billigeres Quartier. Wir geben ihm die verabredeten täglichen 20 $, mit denen er sich irgendwie arrangieren muss, verstauen unser Gepäck und sehen uns im Ort etwas um. Zweimal die Hauptstraße auf und ab und es ist alles gesehen, ein verschlafenes, in der Zeit stehen gebliebenes Dorf.
Von der Straße aus kann man öfters durch die offene Tür direkt in die Wohnungen schauen: Wohnzimmer so groß wie ein Taschentuch - in der Villa Heriberto, wo ich untergebracht bin, liegt ein Kind auf der Couch vor dem Fernseher -, direkt anschließend kommt der Essbereich, der kaum größer ist, als die Fläche, die Tisch und Stühle für sich beanspruchen; an der hinteren Wand fehlt fast nie ein etwa eineinhalb mal zweieinhalb Meter großer Wandteppich mit Tiermotiven in grellen Farben. Zwei Tiger auf roten Hintergrund sind es da, wo ich wohne, im Haus nebenan bei Roberto reitende Ponys mit Mähnen im Wind.
Die winzige Küche ist gleich der nächste Raum. Die Schlafzimmer sind allesamt rechts von dieser Achse angelegt. Hinter den Häusern gibt es dann meistens einen kleinen Garten mit Palmen, Bananenstauden, gelegentlich einem Verschlag mit Schweinen oder anderen Haustieren.
Die Atmosphäre ist voller Düfte: In der Luft liegt Holzrauch, aus den Küchen strömt das Aroma von Gewürzen und Gebratenem, und alles wird zart überdeckt vom Duft des Jasmins.
Da in den Gästehäusern meistens auch Verpflegung angeboten wird, vereinbaren wir gleich, heute Abend in der Villa Claudina, wo Roberto einquartiert ist, zu essen und auch morgen dort zu frühstücken, während wir im Gegenzug versprechen, dass wir das morgige Abendessen und das darauf folgende Frühstück in der Villa Heriberto einnehmen werden.
Als wir die im Angebot stehenden Langusten bestellen, bittet man uns, dies nirgendwo zu erwähnen, denn in privaten, angemeldeten Häusern darf zwar auch Essen angeboten werden, Langusten hingegen dürfen nur in den staatlichen Restaurants serviert werden.
Als wir hungrig und überpünktlich zum Abendessen erscheinen, ist die señora mit dem kochen noch nicht ganz fertig, so können wir uns noch eine Weile auf der Veranda auf zwei Schaukelstühle setzen, sehnsuchtsvoll ins Leere schauen und uns als waschechte Kubaner fühlen.
Die Mahlzeit ist zwar nicht hervorragend, aber doch recht gut. Die Languste wird von Gurkensalat und grünen Tomaten, knusprigen Bananen- und Auberginenchips als Appetizer begleitet, Reis und, typisch für dieses Land, wieder einer dicken schwarzen Tunke mit Bohnen, alles in stattlichen Mengen. Es ist eine Schlacht nach der wir, die den ganzen Tag nichts gegessen haben, pappevoll sind. "Le gusto?" (Hat es Ihnen geschmeckt?). Aber ja, hervorragend.
Nach dem anstrengenden Tag ist für Roberto und mich nicht mehr drin, als die Hauptstraße ein paar Mal auf und ab zu gehen. Für Omar sowieso. Wo er keine Diskothek findet und keine chicas anmachen kann, ist er nicht glücklich. Wir haben ihm vorsorglich den Autoschlüssel entzogen, denn wir haben den starken Verdacht, dass er sonst schnurstracks nach Pinar fahren würde, um sich dort zu amüsieren.
Zu unserem Erstaunen finden wir an der Hauptstraße zwei Lokale, aus denen eine recht einladende Musik herausströmt. Vor dem einen der beiden stehen die Menschen (hauptsächlich schwarze Kubaner und ausländische Touristen) sogar bis draußen, um der guten Musik zuzuhören - oder weil sie sich die Drinks nicht leisten können.
"People watching" und Musik lauschen. Mehr kann man als Tourist an so einem lauen Abend in diesem verschlafenen Nest nicht tun. Für die Einheimischen gibt es kaum mehr. Niemandem zum Anbändeln, nur Bekannte zum Plaudern. So stehen sie eine Zeit lang vor einem der Lokale und lauschen der Musik, dann wechseln sie zum anderen auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, anschließend flanieren sie auf der Hauptstraße einmal auf und ab - Langeweile der Provinz. Ein Schwarzer klatscht einer Schwarzen grinsend auf den in superengen Hosen verpackten Hintern, dann halb im Scherz, quasi um seine Besitzrechte zu demonstrieren, fasst er ihr kurz zwischen die Beine. Dann macht er sich aus dem Staub. Etwas später taucht er wieder auf und lungert mit abwesendem Gesichtsausdruck herum.
Zwei eher ordinäre schwarze Frauen versuchen ohne Erfolg mit Roberto anzuknüpfen - er muss wohl unbewusst Signale senden -, und Omar findet ebenso wenig ein Objekt für seine Begierde. Er macht aus seinem, in Kuba offiziell nicht vorkommenden Rassismus kein Geheimnis. Schwarze Frauen und Mulattinnen kommen für ihn nicht in Frage.
"Nichts los", bestätigt der Hausherr der Villa Claudina. "Mit chicas nichts zu machen", seufzt Omar, und erläutert uns dazu, dass Kubaner in Viñales nicht nur in den Hotels, sondern auch in den casas particolares nicht übernachten dürfen. "Pueblo pequeño, infierno grande" (kleiner Ort, große Hölle). Und hier ist die Polizei sehr strikt.