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Reisebericht Kuba
 
Damals in Havanna
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Kuba 1956 - 1962

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Havanna, 17. Februar
Wie zu Hause

Ich sitze im Schaukelstuhl und schreibe. Carolina besprüht die Pflanzen in der Veranda.
Die Wände sind himmelblau. Eine davon ist von einem Fresco in naivem Stil mit einer Unterwasserszene samt Seepferdchen, Seesternen und Algen geschmückt, an einer anderen hängen Trophäen aus Schildkröten- und Krokodilköpfen. Gegenüber eine Gazellentrophäe. Zwei Vogelkäfige mit Kanarienvögel an der anderen Wand und ein größerer am Fenster mit einem Papagei runden das Bild ab. An der Fensterfront steht ein auf Stativ montiertes Fernrohr. Es ist genau auf das Swimmingpool des Hotel National gerichtet - Lenins Hobby.
Die Pflanzen ähneln eher jenen eines durchschnittlichen mitteleuropäischen Wohnzimmers, mit Weihnachtsstern, Dieffenbachia, Monstera, Palmen und einer kleinen Bananenstaude.
Rund um den kleinen Couchtisch reihen sich fünf Schaukelstühle (ein Mar­ken­zeichen fast aller kubanischer Wohnzimmer und Patios) einladend aneinander. Ich könnte mir in diesem Ambiente sehr gut den pfeifenrauchenden Hemingway vorstellen.

Die Altstadt fasziniert immer mehr

Auch heute machen Roberto und ich uns zu Fuß auf in die Altstadt. Diesmal am barrio chino (chinesischem Viertel) vorbei, einem Viertel, das bis zur Revolution zu den Wohlhabendsten der Stadt gehörte. Zurzeit ist eine gewisse Wiederbelebung durch den Tourismus bemerkbar. An jeder Ecke duftet es nach Gebratenem.
Dass im 19. Jahrhundert mehr als hunderttausend Chinesen nach Kuba kamen, ist eine Tatsache, die sich auch in den Gesichtern der Menschen widerspiegelt. Mit einer wenig Übung erkennt man sie sofort, diese so ge­nann­ten chinos, Mischlinge mit etwas feineren Gesichts­zügen und etwas Verschmitztem in den Augen.
Ein Weile schlendern wir ge­mein­sam durch das centro; ich fotografiere Kin­der beim Spielen in den Nebenstraßen, Motor­rad­fahrer, alte amerikanische Schlit­ten und merkwürdige Bus­se, die wegen ihrer Höcker camellos (Kamel-Busse) genannt werden. Einmal portraitiere ich ein Paar, dass uns nur anspricht, um auf ihren fünf­unddreißigsten Hochzeitstag aufmerksam zu machen. Sie sehen sehr glücklich aus.
Nach einer Weile zieht Roberto alleine weiter, während ichmich für einige Stunden auf einer Bank im Park niederlasse, um das Geschehene und das Gedachte nie­der­zuschreiben. Öfters werde ich von vorbei gehenden Menschen ange­lä­chelt, manchmal auch an­ge­spro­chen. Nur selten bettelt mich jemand an. Ein Junge aus San­tiago de Cuba stellt sich freundlich als Wilme Recio Romero Eduardo Ricelda vor und bittet mich - nach längerem, detailliertem Erzählen - um Geld für Milch für seine Kinder. Was kann ich dann tun, außer eine Kleinigkeit geben?
Als ich mich etwas später wieder in der Altstadt herumtreibe, fallen mir immer wieder kleine Trupps von uniform angezogenen Männern auf, die mit klobigen Sprühgeräten die Häuser der Reihe nach abklappern, um mit großer Rauch- und Gestank-Erzeugung die Wohnungen zu besprühen.
Bald erfahre ich, worum es sich handelt. In Kuba findet derzeit wieder eine große Offensive zur Sanierung der Häuser und zur Beseitigung der Erregerherde des Dengue-Fie­bers statt, eine durch die Aedis-aegypti-Mücke über­tra­ge­ne Virus­krankheit. Aus Ha­van­na allein wurden allein in diesem Jahr bereits mehrere hundert Dengue-Fieber In­fek­tio­nen ge­meldet.
Das Problem stellen haupt­säch­lich die sanitären Verhältnisse dar. Schon kleine Wasser­an­samm­lungen - weggeworfene Ge­trän­kedosen, Plastiktüten und alte Autoreifen zum Beispiel - genügen der tag- und nachtaktiven Überträgermücke als Brutstätte. Die Ärzte empfehlen Touristen dringend, sich ausreichend mit Mücken abweisenden Mitteln zu versorgen. Denn Impfungen gibt es nicht.
Als Mitte der 80er Jahre auf Kuba das Dengue-Fieber überraschend in der Nähe von zwei verschiedenen Flughäfen (Havanna und Santiago de Cuba) zur selben Zeit ausbrach, vermutete die kubanische Regierung sogar einen Anschlag biologischer Kriegsführung. Ob diese These stimmt, kann nicht nachgewiesen werden. Für sie spricht jedenfalls, dass das Dengue-Virus seit den fünfziger Jahren zu den Arsenalen biologischer Kampfstoffe gehört und zu dieser Zeit in keinem anderen benachbarten Staat auftrat.
Die einzige Möglichkeit der Bekämpfung dieses Virus besteht in der Vernichtung seinen Überträgers. Damit gelang Kuba bereits bei der ersten Epidemie ein erstaunlicher Erfolg. Seinerzeit wurden eigene Einheiten von Spezialisten ausgebildet, die von Haus zu Haus gingen, um Wasserreservoirs auf das Vorkommen von Larven zu untersuchen. Außerdem wurde durch den Einsatz von Aerosolen die lebenden Moskitos vernichtet.
Gegen 17 Uhr treffe ich wieder Roberto, wir schlendern an der Avenida del Puerto auf und ab, genießen das goldene Nachmittagslicht und beobachten dabei die Fischer, die mit den Fischen um die Wette laufen. Kein Spaß: Wenn sie von der Brüstung aus einen dicken Fisch erblicken, rennen sie, die Angel in der Hand, wie Wahn­sin­nige von einer Stelle zur anderen, um sich den Brocken nicht entgehen zu lassen.
Unter den Flanierern gibt es immer wieder herausfordernd an­gezogene junge Frauen, meis­tens Mulattinnen, die männliche Touristen anlächeln oder an­spre­chen. Ihr Aussehen, ihr Alter, ihre Blicke und ihre hautenge, Hüften betonende Kleidung, sind eindeutige Zeichen: Sie teilen uns mit, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine jinetera handelt. Das ist der Ausdruck für eine Frau, die in Kuba Ausländern eine Reihe von Diensten "einschließlich Sex" anbietet. Jineteras allerdings nur als Prostituierte zu bezeichnen, wäre zu eng gefasst, denn einige von ihnen suchen nur ein bisschen Vergnügen, den (teueren) Zugang zu Diskotheken oder eine Möglichkeit, das Land als Ehefrau eines Ausländers zu verlassen. Die Ausländer sind quasi ein Ersatz für eine nur in der Absicht fürsorgliche Regierung, die ihre wirklichen Bedürfnisse nicht befriedigen kann.
Auch Roberto wird von einer hübschen aber eher ordinären Schwarzen mit Wangenküsschen (als Tarnung vor den überall überwachenden Polizisten) begrüßt. Sie kann ihn aber nicht überzeugen.

Im paladar

Abends fahren wir mit einem Taxi zum paladar von Doña Eugenia, wo Aldo für uns einen Tisch reserviert hat. Diese kleinen Restaurants im Privatbesitz gibt es in Kuba noch nicht lange, erst seit es erlaubt ist, ein Kleingewerbe auf privater Basis zu führen. Der Betreiber muss sehr hohe Steuern zahlen, so dass man als Tourist auch kei­ne Billigpreise erwarten kann. Paladars un­ter­lie­gen empfindlichen staatlichen Res­triktionen.
Beispielsweise darf ein privat geführtes Restaurant nur über maximal vier Tische und zwölf Plätze verfügen. Kommen mehr als 12 Gäste, so nehmen es die Kubaner aber nicht immer so genau und zaubern weitere Tische und Stühle herbei.
Das Schöne an vielen paladars ist die familiäre Atmosphäre und eine manchmal hervorragende Küche. Bei Doña Eugenia, einem kleinen Lokal auf der gegenüber liegenden Seite des Hafenbeckens, in der Nähe der Fortaleza de San Carlos, können wir in Freien in einem idyllischen kleinen Garten sitzen. Am Nebentisch plappert eine Gruppe von Amerikanern.
Für 17 $ pro Person genießen wir diesmal ein wahrhaftig exzellentes Abend­essen. Begleitet von einem vorzüglichen spanischen Weißwein essen wir einen gegrillten Fisch (pescado a la plancha), den wir mit einer Sauce aus schwarzen Bohnen würzen. Als Beilage gibt es Süßkartoffeln und Reis, Stücke von in Fett ausgebackenen Bananen sowie Kraut-, Gurken- und Tomatensalat. Die Tomaten gehören nicht solcher wässrigen, harten Sorte, die mehr für den Transport als für den Verzehr gezüchtet wird. Als postre (Nachspeise) einen flan de coco mit crême caramel. Ein Plaisir, dass sich Kubaner kaum leisten können.