Argentinien 2004
Reisebericht Argentinien - Patagonien    
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18. März
Abschied von Ushuaia
Vor dem Abflug sitze ich noch eine Weile in der Saint Christopher Bar bei cafe con leche und einer herrlichen Aussicht auf die Ushuaia-Bucht, auf die Cordillera und auf ein altes Schiffswrack. Das Schiff, die Saint Christopher, ist ein Schlepper, der vor fünfzig Jahren hier auf Grund lief. Und weil die Versicherung nicht zahlen wollte, steht es immer noch da, idealer Touristenfang und Kun­den­fang für diese Bar.
Jetzt, wo ich wegfahre, ist plötzlich diese nordisch klare Luft da, die ich den letzten Tagen vermisst habe. Es ist kühler geworden, aber das Meer ist immer noch zahm, man kann sich die wilden Stür­me, die so vielen Seeleuten das Le­ben gekostet haben, kaum vorstellen. Mir wird bei der Ansicht des alten Schiffes plötzlich bewusst, wie groß meine Sehnsucht nach Erlebnissen ist, wie sehr Bilder aus der Kindheit, aus zahlreichen Büchern und Filmen aufgenommen, meine Vorstellungswelt geprägt haben. Es ist nicht lange her, da sah ich den Film „Master and com­man­der“ von Peter Weir. Wie stark beeindruckten mich damals die dramatischen Bilder des gewaltigen Sturms, die das Kriegsschiff bei der Umrundung von Kap Horn überstehen musste, welche Emotionen lösten die Wucht der gegen den Bug schlagenden und über das Deck peitschenden Wellen bei mir aus!
Das Schöne an der Fantasie ist, dass man Situationen – auch die gefährlichsten – nur im Kopf ab­spielen lassen kann, ohne dass die Konsequenzen, die das Geschehen in der Wirklichkeit hätte, auch nur im Geringsten zum tragen kämen. So „erlebe“ ich in dieser letzten Stunde in Ushuaia in der Behaglichkeit dieses Lokals ein - völlig harmloses - Abenteuer im Kopf.
Beagle-Kanal Titanic
In diesem Schiffswrack steckt mehr Geschichte, als es den Anschein hat. Sie begann am 22. Ja­nuar 1930, als das deutsche Passagierschiff „Monte Cervantes“ der Hamburg-Südamerika-Linie die Bucht von Ushuaia verließ. Der Weg führte, vorbei an hohen Bergen, durch schmale, aber sehr tiefe Kanäle. Auf dieser schicksalhaften Fahrt lief das Schiff auf einen Unterwasserfelsen auf und schlug leck. Es gelang zwar, mit Hilfe der Rettungsboote alle Passagiere zu retten, aber das Vor­schiff begann rasch zu sinken, und das Heck mit den Propellern hob sich aus dem Wasser. Das Schiff ging jedenfalls nicht unter, es schwamm mit tief im Wasser liegenden Vor­schiff und erheb­li­cher Backbord-Schlagseite wei-ter. Am nächsten Tag wurde die „Monte Cervantes“ vom Wind und starker Strömung zwischen eine Felsengruppe getrieben, wo der Kapitän Theodor Dryer sie mit dem Heck auf Grund setzte. Ein Versuch, das Schiff abzuschleppen, scheiterte.
Am Tag darauf setzte es sich plötzlich in Bewegung und kenterte. Die restlichen noch an Bord ge­bliebenen Besatzungsmitglieder konnten sich retten, nur der Kapitän schaffte es nicht mehr und ertrank im kenternden Schiff, man weiß heute noch nicht, ob er sich das Leben nahm oder einen Unfall hatte. Man munkelt auch, er könnte mit dem Inhalt des Schifftresors verschwunden sein.
Ein weiterer Versuch, die „Monte Cervantes", dessen Heck Jahre später immer noch aus dem Was­ser ragte, zu bergen, wurde im Oktober 1954 durch den Schlepper „Saint Christopher“ unter­nom­men. Er schlug fehl und der Passagierdampfer versank endgültig im tiefen Wasser des Beagle-Kanals.
Jetzt steht nur noch der Schlepper da - für alle Ewigkeit, wie ein monumento nacional [Monte Cervantes].
Von Javier habe ich auch eine weitere, druckreife Episode in diesem Zusammenhang erzählt be­kommen. Vor einigen Jahren kam eine alte Frau nach Ushuaia, die 1930 – sie war damals ein zehn­jähriges Kind – das Schiffsunglück miterlebt hatte. Sie erzählte, wie sie viele Jahre später in Bue­nos Aires einen Mann kennen gelernt hatte und sich mit ihm angefreundet hatte. Nun, der Leser mag es schon ahnen: Es stellte sich heraus, dass auch er Passagier auf dem verunglückten Schiff gewesen war, damals gerade erst 12 Jahre alt. Und natürlich heirateten die beiden. Sonst wäre die Geschichte nur halb so schön zu erzählen.
In El Calafate
Tante Helga und ihre Freundin Catalina Matzi, eine blonde, jung aussehende Austro-Argentinierin mit einem ständigen Gute-Laune-Ausdruck im Gesicht, warten bereits am Flughafen auf mich. Sie sind bereits seit gestern hier und holen mich mit einem gemieteten VW ab mit dem wir in kurzer Fahrt durch eine wüstenartige Landschaft zum Städtchen El Calafate gelangen.
El Calafate liegt am größten See Argentiniens, dem Lago Argentino. Die Architektur dieses kleinen Städtchens ist eine merkwürdige Mischung nordischer Landarchitektur und Westernstadt. Die zum größten Teil vollständig aus Holz gebauten, mit großen Fenstern ausgestatteten und meist nur ein­stöckigen Häuser versprühen aber einen speziellen Charme und wirken alles andere als südameri­kanisch.
Vor 50 Jahren gab es hier gerade mal zwanzig Häuser und ein paar Läden, die den Bedarf der um­liegenden estancias deckten. Heute hat El Calafate etwa 3000 Einwohner, und geschätzte 80 % seiner Häuser sind Beherbergungsbetriebe. Das explosionsartige Wachstum dieses Ortes hat nur eine einzige Ursache: Gleich vor seinen Toren, das heißt etwa 50 Kilometer westlich, liegt der Na­tio­nalpark Los Glaciares, darin der berühmte, von mir bereits erwähnte Perito-Moreno-Gletscher. Der ist natürlich das absolute Muss in Patagonien, und selbst solche Pauschal-Reiseangebote wie „In zwei Wochen durch ganz Südamerika“ widmen dieser Gegend zwei ganze Tage.
Wir sind in einem kleinen hospedaje turistico am Ortsrand untergebracht, wo wir, weil das Wetter kaum besser sein könnte, nur rasch unser Gepäck ablegen und uns frisch machen. Dann steigen wir sofort wieder ins Auto und fahren auf einer gut ausgebauten, breiten Teerstraße ein paar Kilo­meter den Lago Argentino entlang in Richtung Westen. Tante Helga möchte gerne zu einer Felsen­grup­pe fahren, die sie von ihrer letzten Fahrt in diese Gegend - es ist schon zehn Jahre her - in Erinnerung hat: den Elefantenfelsen.
Merkwürdigerweise habe ich erst hier, in der Nähe des Lago Argentino, zum ersten Mal wirklich das Gefühl, in Amerika zu sein. Denn die Aussichten sind so weiträumig und der Himmel so riesig, wie ich es fast nur von Western-Filme kenne. In Europa kann man eine derart weite Landschaft viel­leicht nur in Spanien, in den schottischen Highlands oder in den Steppen Russlands erleben. Ich liebe solche Weiten.
Landschaften zu beschreiben ist – sofern man nicht das Talent eines Adalbert Stifters hat – eine schwierige Sache. Man verfängt sich leicht in Kitsch, Übertreibungen, Gemeinplätzen. Wenn über­haupt, fällt es mir leichter, die Gefühle zu veranschaulichen, die sie in mir wecken.
Eine unglaubliche Weite! Mir stockt fast der Atem. Es ist, als wäre ich in einem Western gelandet, und säße nicht in einem Auto sondern auf einem Pferd. Und es würde mich nicht wundern, wenn plötzlich eine Horde Indianer von hinter den Hügeln auftauchte.
Würde ich nicht auch von den Farben sprechen, fehlte in meiner Beschreibung etwas Wesentliches, denn mehr als das Blau des Himmels fasziniert mich sein Kontrast zur zarten Farbe des Sees. Dieser Lago argentino weist trotz seiner Größe die Farben eines Gletschersees auf, zartestes Tür­kis. Und die Gegenüberstellung dieses Pastelltons, der magische Anspielung an India­ner­schmuck einflüstert, mit dem braungrau der Berge und eben diesem „bayerischen“ Blau des Himmels will meine Blicke nicht loslassen.
Bald finden wir die Stelle mit der beeindruckenden Felsformation, die „Los Elefantes“ genannt wird. Wind und Erosion haben diese Felsen so bearbeitet, dass man glauben könnte, eine Herde Ele­fan­ten käme, Kopf an Kopf, auf einen zu. Sie sind zu dieser späten Stunde in ein sanftes Licht ge­taucht und erwecken bei mir anregende Assoziationen zu südindischen Tempeln.
Ein endloser Stacheldrahtzaun ist der einzige Schönheitsfehler und das einzige Hindernis zum per­fekten Genuss dieser verzauberten Momente. Aber ich kann selbst kaum einige Meter den Zaun entlang in Richtung Felsen gehen, da hat es Tante Helga, die immerhin schon über achtzig Jahre alt ist, bereits mit Hilfe von Cati geschafft, das Hindernis zu überwinden. Als ich selbst über den Zaun komme, um mir die „Elefanten“ aus größerer Nähe anzusehen, klettere ich ein wenig auf einen der Felsen bis zu einer Nische, in der eine kleine Madonnenfigur, die Virgen de Lujàn, die Patronin Argentiniens, aufgestellt ist.
Es ist vielleicht interessant zu erwähnen, dass die Farben der argentinische Fahne (Weiß und Hell­blau) jenen der Kleider der Gottesmutter entsprechen, denn diese schmückt ein weißes Gewand und ein hellblauer Mantel.
Als wir aus dem Gelände wieder zurückkommen sind in meinen Schuhe, Socken und Jeans Dut­zen­de von Kletten verhakt. Mühsam muss ich sie während der Rückfahrt wieder abzupfen. Zum Aben­dessen in einer parilla an der Hauptstraße gibt es – was sonst? – bife.
Big sky Los Elefantes Big Sky