Perschtln
 

Nikolausabend. In den späten Nachmittagsstunden des 5. Dezember scheint sich eine stille Adventsnacht wie viele andere anzukündigen, mit all dem, was sich ein Gefühlsmensch dabei vorzustellen vermag: schnei­dender Kälte, dünnen Nebelschwaden, die über den Dorfbach ziehen, Rauch, der in der graublauen Abend­stim­mung nur zögernd aus den Schornsteinen aufsteigt. Der gefrorene Schnee knirscht bei jedem Schritt unter den Schuhsohlen, sonst ist es still: kein Ton und kein Leben ist auf den leeren Straßen zu vernehmen.
In dieser Jahreszeit geht die Sonne früh unter, und die Dunkelheit ist bereits eingebrochen. Während ein letzter hellgelber Licht­streifen langsam am Horizont verschwindet und der Mond zwi­schen den Wolken auftaucht, ist im Osten der Himmel schon pechschwarz. Der dampfende Atem einzelner, wie Schatten vor­beihastende Passanten sieht im Gegenlicht der rötlich erleuchteten Fenster und des angestrahlten Kirchturms, der sich als einzige Gestalt von der Dunkelheit abhebt, wie Rauch aus. In den weniger beleuchteten Nebenstraßen herrscht ein feierliches Schweigen, manchmal ist es, als spürte man eine fast ge­spenstische Stim­mung.
Plötzlich unterbricht höllischer Lärm die Ruhe des Abends. Ein selt­samer Schauer läuft einem über den Rücken. Von überall her hört man unheimliches Getöse, Gedröhne und Getute. Die Perschtln sind auf dem Weg. Mehrere solcher Perschtln-Rotten sind bereits seit dem Nachmittag in der Gegend um Breitenbach und Kundl, im Unterinntal, unterwegs, jede von einer grässlichen, buckligen He­xe, die mit einem alten Reisigbesen in der Hand herumfuchtelt, angeführt. Ihr folgen Schreckensgestalten mit hölzernen Teu­fels­mas­ken, die durch Läuten von Kuhschellen, Blasen von Bocks­hör­nern und mit weiteren Teufelsinstrumenten den größtmöglichen Lärm zu erzeugen versuchen. Sie schlagen auch mit Holzschlegeln auf alte Benzinkanister oder andere Gegenstände als im­pro­vi­sierte Blechtrommeln ein. Besonders der eigenartige Klang der Eisenbahnhupe (Signalhorn für Eisen­bahner) geht einem durch Mark und Bein.
Es ist wahrhaftig ein ungewöhnliches Schauspiel: Ist ein Hof oder eine Wirtschaft erreicht, macht die Hexe mit ihrem Besen Platz, springt und dreht sich im Kreise, rollt sich am Boden, wälzt sich im Schnee. Dann stürmen die Perschtln das Haus, wo die Hexe eiligst den Boden kehrt (um das Böse auszukehren).
In den Bauernstuben und Hauseingängen sprin­gen die "Perschtln" wie wild herum, es gibt ein riesen Gedränge, und es beginnt wieder das un­be­schreib­liche Getöse der Kuhschellen, Hörner, Trom­meln, Rasseln, Trompeten und Blech­büch­sen.
In fast allen Häusern werden die Perschtln will­kommen geheißen und reichlich bewirtet. Danach zieht die Schar geschlossen weiter.
Die Perschtln sind in Fetzenkostüme gekleidet, an denen Büscheln von Maisflitschen - das sind die Ein­hüllblätter des Maiskolbens - aufgenäht sind. Der Eindruck ist überwältigend. Man ist in solch einem Kostüm freilich ziemlich unbeweglich, man braucht sogar fremde Hilfe, um eine Flasche Bier oder eine Zigarette zum Mund zu führen. Um so ein Maisflitschengewand ("Perschtl-Gwand", "Prat­schen-Gwand") anzufertigen, brauchen sechs Män­ner meh­re­re Tage, hat man mir versichert. In manchen Ortschaften sind auch andere Perch­ten­fi­gu­ren (Fellteufel) mit von der Partie.
Der Brauch stammt aus Breitenbach, seit über 30 Jahren gibt es ihn auch in Kundl, und von hier aus hat er sich bis in die Gegend bei Münster verbreitet.
An die ursprüngliche Bedeutung dieses Brauches, der Vertreibung der bösen Dämonen der dunklen langen Winternächte, der Kälte und Unfruchtbarkeit durch Erzeugen von Lärm und Schrecken, glaubt natürlich kein Mensch mehr, und so steht hier, wie bei anderen Perchtenläufen im Alpenraum auch, der Spaß am Klamauk im Vordergrund: Kinder werden erschreckt, Mädchen in den Schnee geworfen, ihre Gesichter mit Ruß geschwärzt, mit den Zuschauern wird allerhand Schabernack getrieben.

 
  Nikolausabend  
 

So oder ähnlich läuft das Nikolausfest im gesamten bayrischen und österreichischen Alpenraum ab.
Der Gaben spendende, gütige heilige Nikolaus, dessen historisches Vorbild im vierten Jahrhundert nach Christi in Kleinasien lebte, zieht mit wallendem Wattebart, Bischofsmütze und Krummstab von Haus zu Haus und wird von finsteren, lärmenden und angsteinflößenden Gestalten begleitet. In manchen Gegenden steht die Darstellung des Nikolaus als Verkörperung des Guten, als freudebringender, belohnender Bischof im Vordergrund, und der Krampus als Vertreter des Bösen und der Strafe spielt nur die Rolle eines Furcht­mittels bei der Kindererziehung, in anderen Orten wirkt der Heilige eher blass und ist fast zu einer Randfigur geworden.
In Stilfs im Vinschgau laufen die Scheller mit bunten Tuchflicken bekleidet und schwere Kuhschellen tragend, zusammen mit den in Tierfelle gehüllten Klaubaufen, Ketten rasselnd, lärmend und schreiend am Abend des 5. Dezembers beim sogenannten Kloosen durch die Ortschaft. Im benachbarten Mals wird am diesen Abend der gabenbringende Bischof mit dem ohrenbetäubenden Lärm von Kuhschellen und Bockshörnern beim so genannten Nikolaus-Aufwecken "geweckt"; im Berchtesgadener Land wiederum sind es die Buttmandln, ganz in Stroh gewickelte Gestalten, und die Ganggerln(Teufeln), die den Nikolaus begleiten.
Beim Nikoloumzug in Mitterndorf, Steiermark, knallen riesige in Stroh gehüllte Maskengestalten (die Schab­männer) ihre Peitschen beim Nikoloumzug.

 
  Mutterer Bummsa  
 

In Mutters , dem "schönsten Dorf Tirols", wird am St.-Nikolaus-Tag seit mindestens 200 Jahren das so ge­nannte Bumsaschiaßn gefeiert. Schon in aller Herrgottsfrüh und mehrmals am Tage krachen, das Glo­ck­en­geläute begleitend, von den Feldern am Dorfrand kanonenähnliche Schüsse, die bis nach Innsbruck und ins Inntal hinaus zu hören sind. Die "Kanone" ist in Wirklichkeit ein übergroßer (über drei Meter langer), aus Fassdauben zusammengefügter Schalltrichter, der wie ein riesiges Megafon wirkt, für den darin gesteckten alten Vorderlader. Es gibt auch eine kleinere Schwester, die "kleine" Bumsa, mit et­was bescheideneren Dimensionen. Die Trich­ter­mündung hat einen Durchmesser von ca. ein­ein­halb Metern, doch das Mundstück ist gerade so groß, dass der Lauf eines alten Tiroler Vor­der­la­ders hineinpasst. Das Gewehr wird mit Schwarz­pulver gefüllt und abgeschossen. Durch diesen Holztrichter erhält der Schuss eine au­ßer­ge­wöhn­lich starke Schallwirkung.
Vor einigen Jahren mussten die Vorderlader erst­mals durch Salutkanonen ersetzt werden, wegen der nicht mehr sicheren, veralteten Ge­weh­re und der strengeren Bestimmungen des neuen Ös­ter­reichischen Pyrotechnik-Gesetzes.
Beim Abendläuten ist mit der Knallerei Schluss. Die Mutterer "Bumsa" (Bummsa) darf nur von unver­hei­ra­te­ten Burschen - unter denen auch kein lediges Kind sein darf, so versicherte man mir - bedient werden. An den Tagen vor dem Nikolausfest muss die Bumsa von den Bumsaschiaßern Tag und Nacht bewacht werden, denn es ist - wie auch beim bayerischen Maibaum-Brauch - Tradition, dass die Burschen der Nachbardörfer versuchen, die Bumsa zu stehlen.

 
  Aperschnalzen  
 

Wandert man an einem Wintertag im Jänner oder Feber hinaus in die hügelige Landschaft rund um Salzburg oder im benachbarten bayerischen Alpenvorland von Freilassing bis zum Chiemsee (Rupertiwinkl), so kann man ein seltsames Krachen und Knallen vernehmen. Die Aperschnalzer sind wieder am Werk !
Es handelt sich um Gruppen kräftiger Burschen und Männer (seit Neuestem sieht man vereinzelt auch Mäd­chen unter ihnen), die in der Zeit von Dreikönig bis Faschingsende mit ihren Goaßln das als Aperschnalzen bekannte Peitschenknallen üben.
Ursprünglich sollte der Lärm wohl dazu gedacht gewesen sein, die Winterdämonen zu vertreiben und die ruhende Erde zum Hervorbringen neuen Lebens aufzufordern. Auch heute noch sagen die Bauern, wenn die Schneedecke unter der Spätwintersonne schmilzt und die Wiese frei wird, "Es wird aper", aus dem La­tei­nischen apertus = offen.

"Aperschnalzen, Grasausläuten,
hört's ös net von aller Seit'n
Winter, du saudummer Narr,
wirst denn heuer nimmer gar."


Am Anfang unseres Jahrhunderts war der Brauch schon fast in Vergessenheit geraten, erlebte aber kurz darauf einen neuen Aufschwung und bekam dabei einen mehr sportlichen Charakter.
Inzwischen hat sich das Aperschnalzen zu re­gel­rech­ten Wettbewerben zwischen den einzelnen Passen, wie solche Schnalzer-Gruppen genannt werden, entwic kelt. Am bekanntesten ist das all­jährlich statt­findende "Ru­per­ti­gau-Preis­schnal­zen". Und spätes­tens seit dem Auftritt der Aper­schnal­zer bei der Eröffnung der Olympiade in Mün­chen ist dieser Brauch auch in aller Welt bekannt.
Die Peitsche, die beim Schnalzen verwendet wird, ist aus dünnen, gedrehten Hanfseilen geflochten und etwa vier Meter lang. In das untere Ende der Peitschenschnur ist der Boschn aus aufgelöster Seide oder Bast eingeflochten, mit dem der cha­rakteristische Knall verstärkt werden kann.
Beim Aperschnalzen stellen sich die Burschen auf freiem Felde in ungerader Zahl - meist sind es neun oder elf - in einer Reihe auf, wobei der Abstand zwi­schen den Teilnehmern gerade so groß ist, dass die Peitschenschnüre einander nicht Treffen können. Mehr als dreizehn Schnalzer in einer Passe sind aus rhythmischen Gründen nicht möglich.
Den Auftakt gibt der Aufdraher, der Schnalzer mit der kürzesten Goaßl (Peitsche), die nicht so laut knallen darf wie die übrigen. Zunächst holt er aus und schwingt die Peitsche mit beiden Händen mehrmals über seinem Kopf, und gibt dabei das Zeichen zum Beginn des Schnalzens: "Aufdraht - oans - zwoa - drei - dahin geht's!" Mit einem plötzlichen Ruck bringt er die Peitsche zum Knallen. Nach dem pistolenschussartigen Knall folgen der Reihe nach, in raschem Abstand, auch die anderen Schnalzer. Der letzte Teilnehmer, stets der stärkste Bursche der Gruppe, hat die längste und am tiefsten knallenden Goaßl, den Bass.
Weil so ein Pasch überaus anstrengend ist, dauert er niemals lange. Besonders schwierig ist es, bei gleichzeitigem Schnalzen absolut den gleichen Takt zu halten, was nicht so leicht ist, wie man glauben könnte, bei Gelingen aber ein beeindruc kendes Klangbild ergibt.
Bei einem Preisschnalzen tritt jede Passe zuerst einzeln auf. Zum Abschluss schnalzen alle Teil­neh­mer (oft mehrere Hundert) den Pasch im gleichen Takt. Beeindruckend! Das muss man einmal gehört haben! Das Können einer Passe zeigt sich in der Gleichmäßigkeit der Zeitabstände und in der Lautstärke. Die Schiedsrichter eines solchen Wettbewerbs sitzen im geschlossenen Raum und dürfen die Passen nicht sehen.
Wenn man aus der richtigen Entfernung die Peitschen knallen hört und einem das "Ratata-tatata-tatata" immer wieder wie aufeinander fol­gen­de Maschinengewehrgarben durch Mark und Knochen geht, dann fängt man an, eine Musi­ka­lität darin zu entdecken, zu der der Begriff "Lärm" gar nicht mehr passt.
Seltsam ist, dass diese Form des Peitschenknallens nur in bestimmten Orten in der Umgebung von Salzburg und im angrenzenden bayerischen Nachbarraum geübt wird.
Geknallt wird freilich vielerorts. Ob es Goaßlschnalzen, Almabtriebsschnalzen, Klöcken oder Schnöllen heißt, zum Kornaufwecken oder anderem dient, im Stehen oder vom Rücken eines Pferdes aus, das Lärmen mit Peitschen begleitet in den Alpenländern so manchen Brauch.
Auch in der Tiroler Fastnacht wird der Lärm großgeschrieben. Böller krachen, Peitschen knallen, unzählige Glocken und Glöckchen klingen, läuten oder dröhnen.

 
   
 

Darin (im Lärmmachen) unterscheiden sich das Schellerlaufen in Nassereith, das Schemenlaufen in Imst oder das Schleicherlaufen in Telfs nur unwesentlich. Die eigentlichen Unterschiede liegen, außer in der Art der Masken, in den unterschiedlichen, ganz eigenen Tanzbewegungen mit bestimmten Schritten, Sprüngen und Wendungen bei denen der Rhythmus mal schneller, mal langsamer ist.
Wenn man am Nachmittag des "Unsinnigen Donnerstags" beispielsweise nach Lans, einem kleinen Ort am Patscherkofel in der Nähe von Innsbruck kommt, wird man schon aus der Ferne einen merkwürdigen rhythmischen Lärm hören. Bald darauf begegnet man einer Gruppe von Männern in langen schwarzen Hosen, statt der Jacke haben sie buntfarbene gefranste Seidentücher über Kopf und Schulter gelegt, das Gesicht ist von einer Holzlarve verdeckt.
An einem breiten Gürtel geschnallt tragen sie am Rücken eine große Kuhschelle, die bei jeder Vorwärtsbewegung anschlägt. Der Anführer hüpft mit einem Besen voran. Die Scheller bewegen sich ruckartig, mit einem eigenartigen taktmäßigen Springen, abwechselnd langsam und schneller, und lassen bei jedem Schritt die Schelle anschlagen. An manchen Stellen bilden die Scheller einen Kranz und es setzt ein wildes, chaotisches Geschelle ein.
Beim Imster Schemenlaufen kann man Ähnliches erleben: Die Hauptfiguren heißen Roller und Scheller. Die ersten stellen jugendliche Masken dar, die am breiten Ledergürtel das Geröll mit etwa vierzig Glöckchen tragen, den Schlittenschellen ähnlich. Die Scheller sind ältere, männliche Masken mit übergroßem Schnurrbart; ihr Gschall, das aus 4 bis 8 großen geschmiedeten Kuhglocken besteht und am breiten Ledergürtel befestigt ist, kann bis zu zwanzig Kilo und mehr wiegen. Jeder Schritt löst einen dröhnenden metallischen Klang aus.
Zwanzig bis dreißig solcher Paare (Roller und Scheller) folgen unter ununterbrochenem Geläute dem Vorroller. Lediglich in den zuschauerarmen Nebengassen können sie sich eine Ruhepause zugestehen.
An verschiedenen Stellen hält der Zug, und die Roller und Scheller holen Ehrengäste und bekannte Persönlichkeiten aus Imst und Umgebung zur Kassa. Nachdem sich die Geehrten mit einem Obolus losgekauft haben, bekommen sie eine Breze und ein Abzeichen und werden, unter dem tobenden Lärm der Roller, der Scheller und der "Hexenmusik", wieder zu ihren Plätzen begleitet.
Was immer an Ursprüngen und Bedeutungen in die verschiedenen Formen dieses unvergleichlichen Schauspiels, der Tiroler Fastnacht, zusammengeflossen ist, Tatsache ist, dass diese Bräuche überall von Peitschenknallen, Schellengeläute und weiteren Formen des Lärmens begleitet werden .
Viel ausgeprägter noch als bei der Tiroler Fastnacht tritt die Lärmentwicklung beim sogenannten Grasausläuten in Tirol als zentrales Element in Erscheinung.
Bei diesem Brauch ist der 24. April der traditionelle Termin. Dieser Tag (St. Georg) ist der wichtigste Termin für den Anfang des Bauernfrühjahres. Zu Georgi soll das Vieh wieder auf die Gemeindewiese getrieben werden und der Anbau fertig sein. Das Wachstum kann beginnen. Um es zu beschleunigen, und damit "die Wiese auch sicher ins Heu gehe", will man im Unterinntal und im Zillertal nicht auf die Grasausläuter verzichten, die, wie es alte volkstümliche Überzeugung ist, durch Springen und Lärmen dem Winter den Garaus machen und das Gras zu neuem Wachstum veranlassen sollen.
Traditionell war der Melcher der Anführer. Sein Gesicht war von einem Rußschnauzbart geziert und auf dem Rücken trug er eine große Kraxe mit allerhand Almgeräten wie Mußpfanne, Kochlöffel und Buttermodel. Neben ihm gingen zwei Sennerinnen. Die übrigen Teilnehmer trugen möglichst große, am Gürtel befestigte Schellen, mit denen "das Gras ausgeläutet" werden sollte.
In alten Zeiten zog die Schar von Gehöft zu Gehöft, wo sie bei den Bauern ihre Jause mit Brot, Butter, Käse und auch mit Schnaps gereicht bekamen, so dass allerlei Unfug getrieben wurde, der schließlich (wie bei anderen Brauchtumsformen auch) zu einem behördlichen Verbot führte.
In gemäßigter Form wurde dieser ackerkultische Umzug mit seinem magischen Einkreisritus, wie ihn bereits die Germanen kannten, dann wieder von der Obrigkeit erlaubt.
Heute ist das Grasausläuten auch einfacher geworden. An diesem Tag haben die Schulkinder aus Volders, Wattens, Schwaz, Reith, Rattenberg und anderen Ortschaften des Unterinntals, sowie aus vielen Dörfer des Zillertals auch heute noch ihr großes Vergnügen.
Die Buben, in kurzen Lederhosen und weißen oder karierten Hemden, und die Mädchen in Dirndlkleid, mit Kopftuch und einem Korb für die Spenden, ziehen den ganzen Nachmittag "heischend" von Haus zu Haus. Die größten Schellen und die schönsten Schellriemen machen den Anfang. Sind die Einwohner daheim und gibt es eine Wiese vor dem Haus, laufen sie eine Runde, um symbolisch das Gras herauszuläuten, damit es ein fruchtbares Jahr werde. Dabei sprechen die Mädchen ähnliche Sprüche wie:

"Mir wünschen eich viel Glück und Seg'n,
das die Hennen guat leg'n, und die Heistock dageb'n."


Dann geht das Laufen und Springen, das Läuten und Lärmen mit Glocken und Schellen erst richtig los, dass es in den Ohren kracht, und schließlich werden die Kinder reichlich (meist mit Geld und Viktualien) beschenkt. Die Buben danken, jauchzen und schellen noch einmal. Dieses Schellen hört sich ähnlich wie eine Almabfahrt an, ist nur viel, viel lauter.
So hat das Grasausläuten, neben dem Charakter eines Fruchtbarkeitsbrauches, auch jenen eines Hei­schebrauches, einer gesellschaftlich anerkannten Form des Bettelns. Der Wohlstand und die daraus folgende größere Spendenfreudigkeit der Dorfbewohner hat in letzter Zeit diesem Lärm- und Heischebrauch neuen Antrieb gegeben.
Aber nicht nur in den dem Ursprung nach eher "heidnischen" Bräuchen spielt der Lärm eine so große Rolle. Selbst im kirchlichen Bereich fand er seinen Platz.

 
  Osterratschen  
 

So kann es einem unwissenden Touristen in der Osterwoche widerfahren, am Karfreitag oder Karsamstag um 5 Uhr früh erschreckt und unversehens von einem unheimlich "ratschendem" Geräusch aus dem Bett gerissen zu werden.
Bekanntlich schweigen in den katholischen Kirchen angesichts der Leiden Christi von Gründonnerstag bis Karsamstag die Kirchenglocken; das Volk sagt, sie "fliegen nach Rom". Ihre Aufgaben (die Ankündigung der Tageszeiten und der Ruf zu den Gottesdiensten) werden von hölzernen Klappern, den sogenannten Ratschen, übernommen. So sieht man an diesen Tagen in vielen Gegenden Österreichs Gruppen von Kindern, die Rat­schen­bu­ben, die mit ihren hölzernen Lärminstrumenten durchs Dorf ziehen. Mancherorts wird auch nur vom Kirchturm aus geratscht. Man erlebt die Buben mit landschaftlich und lokal deutlich unterschiedlichen Sprüchen, Ratschen, Gewohn­hei­ten und Regeln.
Ratschen gibt es in den verschiedensten Formen und Konstruktionen: Schubkarrenratschen, Wal­zen­ratschen, Hammerratschen. Gemeinsam ist al­len das rumpelnde, klappernde, eintönige Geräusch, das sie erzeugen. Das Prinzip, nach dem dieses Lärminstrument funktioniert, ist einfach. Mit einer Kurbel wird eine gezackte Walze gedreht, auf der etwa 10 cm breite Brettchen, auf denen ein Holzspan befestigt ist, aufliegen. Beim Drehen springt der Holzspan von Zacke zu Zacke und erzeugt dabei das "ratschende" Geräusch.
Die Ratscherbuam werden in Gruppen aufgeteilt und decken verschiedene Ortsgegenden ab. Meistens haben sie auch ein schönes Sprüchlein bereit wie:

"Wir ratschen, wir ratschen zum Englischen Gruß
Den jeder katholische Christ beten muss.
Kniet's nieder, kniet's nieder auf eure Knie,
bet's drei Vaterunser und drei Avemarie."


Vielseitig ist die Interpretation dieses Brauches. Einige meinen, dass das hässliche Ratschen die Störung der Natur beim Tode Jesu Christi ausdrücke, andere sehen darin Reste einer alten Lärmabwehr. Wie dem auch sei, den Kindern macht es heutzutage noch viel Spaß.

   
Rauhnächte
Rauhnächte. Märchen,
Brauchtum, Aberglaube
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Bräuche
Wintergeister und Weihnachtsgeister in Bayern
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Bräuche
Der Nikolaus und
seine Buttnmandl

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Zwischen Aperschnalzen und Zwetschkenkrampus. Oberösterreichische Bräuche im Jahreskreis
Zwischen Aperschnalzen
und Zwetschkenkrampus. Oberösterreichische Bräuche im Jahreskreis
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Scheller, Schleicher, Maibaumkraxler: Bräuche in Österreich: Fasching, Ostern, Frühling
Scheller, Schleicher, Maibaumkraxler: Bräuche
in Österreich: Fasching,
Ostern, Frühling
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