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San Sebastian de La Gomera
Die ersten Erkundnungen
Vallehermoso, San Sebastian
Chipude, Valle Gran Rey
Alojera, Vallehermoso
Taguluche, Garajonay
Agulo, Vallehermoso
Bosque del Cedro
Hermigua, Agulo
La Caleta, San Sebastian
 
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31. März
Bar Amaya
Nachdem sich der Klüngel einheimischer Männer mit einem "adios muchachos" suk­zessive aufgelöst hat, sitze ich nun, nur noch von Deutschen umgeben, an einem Tisch und schreibe. Zum wiederholten Mal schlürfe ich einen cafe con leche. Die Wolken hängen tief und unbeweglich über dem Ort und ich überlege unschlüssig, ob ich nochmals in den "Märchenwald" soll.
Allmählich macht sich bei mir eine gewisse Reisemüdigkeit breit. Nicht weil ich mich langweilte oder Sehnsucht nach Hause hätte, nein, ich bin nur verunsichert. Ich fahre mit dem Auto kreuz und quer durch die Insel, auf der Suche nach einer neuen Aussicht, einem besonderen Licht, einem besonderen Ort, aber einmal dort angekommen schaffe ich es nicht, auch nur für wenige Stunden die Landschaft von innen zu erleben, sie zu erwandern. Der Tag scheint viel zu kurz zu sein.
Im Bosque del Cedro
Laut Wanderkarte trennen nur wenige Kilometer die verstreuten Häuser von Los Aceviños vom Dörfchen El Cedro, meinem Ziel im Zentrum des Nationalparks. Ein dichtes Netz von Pisten führt dorthin. Man kann den Weiler kaum verfehlen, denke ich, und bilde mir ein, den Cedro-Bach bereits rauschen zu hören.
Zwei Stunden später: Ich hocke unter einem Felsvorsprung und versuche – so gut es geht – mich vor dem heftigen Regen zu schützen. Meine Fotoapparate sind un­ge­nutzt in der Tasche verstaut, meine Jeans bereits völlig durchnässt, aus der Kapu­ze tröpfelt es mir in den Hals. Ich muss gestehen: Meine Laune ist am Tief­punkt. Und was schlimmer ist: Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich mich befinde. Die auf der Karte eingezeichneten Wege scheinen mit der Wirk­lich­keit nichts Ge­mein­sa­mes zu haben, Hinweisschilder sind für die Gomeros offenkundig ein Fremdwort, und der einzige Wegweiser, den ich fand, hatte mich nur vorübergehend hoffen lassen: Noch 1300 Meter zu El Cedro, kündigte er an. Aber der Weg hat nur hi­nun­ter, hinunter und nichts wie hinunter geführt. An den Weggabelungen gab es keine weiteren Hinweise, und die wenigen Häuser, die ich sah, waren einsam und ver­las­sen. Keinem von den sonst immer an­zu­tref­fenden Wanderern war ich begegnet. Nach etwa drei Kilometern gab ich schließlich das Zählen meiner Schritte auf.
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Flechten Farne fotografieren Rote Erde
Jetzt warte ich nur darauf, dass der graue Landregen, der die bewaldeten Berg­rü­cken um­hängt, wieder abzieht und dass er sich nicht, wie ich es aus Mitteleuropa gewohnt bin, auf lange Zeit an die Landschaft festklammert. Aber während ich in der Hocke geduldig ausharre, zieht die Wut, die sich beim Gehen laufend gesteigert und mir jeglichen Blick für die Schönheit des Waldes genommen hatte, langsam ab. Die Abgeschiedenheit, in der ich mich befinde, könnte nicht größer sein. Ein sub­ti­ler Respekt für diese Urwelt schleicht sich allmählich bei mir ein und lässt jeden Ärger verschwinden. Mit einem Mal ist mein Blick wieder für die Schönheit dieser Wildnis geschärft, mein Geist offen für Entdeckungen. Die Wolken, die sich plötz­lich als mystische Schleier ent­pup­pen, als Atem eines geheimnisumwitterten Ur­walds, das feine Geflecht abgestorbener, moos­be­wach­sener Bäume, die aus­ge­dehn­ten Flächen meterhoher Farne, die blauen Tupfer der großen Immergrün, die wind­gebeugten ver­krüppelten Wacholder, die in düsterem Grün der späten Stunde fast beängstigenden Baumriesen, die Farbnuancen der wassergetränkten Erde, ja sogar die Form und die Spiegelungen einer Regenpfütze, alles erscheint mir wie ein un­wie­derholbares Wunder, das mir von der großartigen Natur Gomeras geschenkt wird. Es fällt mir im doppelten Sinn schwer, diese Traumlandschaft zu verlassen. Weil ich nur mit Mühe die Orientierung wieder gewinne, und weil mich bei der zu­nehmenden Dunkelheit der Zauber dieses Walde noch mehr vereinnahmt.
Abends, Bar Central
Zu späterer Stunde ist die Bar halb leer. Die Stammkunden und die wenigen Tou­risten im Ort sind bereits heimgegangen. Die Tagesasflügler aus Teneriffa haben die Insel schon längst mit der Fähre verlassen.
Ich kann mir nichts vormachen: Mein Spanisch ist eine Katastrophe. Im Fernseher läuft - in allen Bars und Restaurants sind die Geräte immer eingeschaltet - ein Do­kumentarfilm über Tibet. Der Sprecher spricht ein schönes, langsames, deut­li­ches Spanisch. Trotz allerlei Hintergrundgeräuschen kann ich es eini­ger­ma­ßen verstehen. Aber die Herrenrunde an der Theke palavert mit derart hor­ren­der Geschwindigkeit über Gott, Fußball und die Welt, dass ich von Glück sprechen kann, wenn ich auch nur vereinzelte Worte erkenne. Immerhin wechselt der junge Inhaber ein paar Sätze mit mir: Spanisch für Anfänger, Kapitel 1, Lektion 1.
1. April
Bar Amaya
Der Roque Cano ist zwar frei, aber die Wolken im Hintergrund sehen verdammt dun­kel aus; nur in Richtung Meer sieht man den gewohnten blauen Streifen. Es ist ausgesprochen kühl heute. In dem zur Straßenfront über zwei große Flügeltüren of­fenen Lokal zieht es demzufolge gewaltig. Der Rentner, der jeden Tag am Spiel­au­to­maten steht, sitzt heute am Tisch nebenan und füllt seinen Totozettel aus. Als der Lautsprecher eines kleinen Lieferwagens etwas Unverständliches in den Raum plärrt, geht er hinaus, taucht aber wenig später mit einem frischen Fisch in einer Plastiktüte wieder am Schalter auf, wo er einen Totozettel abgibt - auch eine Mög­lichkeit, zu Geld für den einarmigen Banditen zu kommen.
Hin und wieder kommen ein paar Touristen mit schweren Wanderschuhen und rie­sigen Rucksäcken in den Raum. Sie halten sich aber kaum länger als für einen Kaf­fee auf. Nur das deutsche Ehepaar am Nebentisch sitzt seit einiger Zeit abgespannt und etwas griesgrämig herum und straft das Wetter mit gelegentlichen skeptischen Blicken. Sie können sich meines Mitgefühls sicher sein. Leichte, gerade noch an­ge­nehm wirkende Rücken- und Muskelschmerzen versetzen mich ebenfalls in die "Keine-Lust-was-zu-tun"-Laune.
Dennoch: Zeit zum Weiterfahren!
Agulo
Seit zehn Minuten verweile ich auf diesem Parkplatz kurz nach dem Agulo-Tunnel und genieße den herrlichen Blick auf den Ort. Wenn man bedenkt, dass La Gomera mit seinen etwa 25 km Durchmesser eine kaum größere Fläche beansprucht als München, aber auf kleinstem Raum Höhenunterschiede wie zwischen Mittenwald und der westlichen Karwendelspitze aufweist, und dass sich von den Berggipfeln mehr als 50 barrancos hinunterwinden, die meisten von ihnen so einsam und ver­las­sen, dass man sich fernab jeder Zivilisation vermuten könnte, dann hat man ein wenig von der Faszination dieser Insel erkannt.


In ständigem Bergauf und Bergab, gleich ob man mit Auto oder Wanderschuhen un­ter­wegs ist, ziehen innerhalb weniger Kilometer die unterschiedlichsten Land­schaf­ten und Vegetationsstufen an den Augen vorbei: trockene, braune Bergrücken mit spärlichem Bewuchs erinnern an das Spanien der Westernfilme, wo die Sträucher aus der Ferne wie die Flecken eines Leopardenfells aussehen; anderswo ähneln tief eingeschnittene Schluchten mit steilen Wänden sowohl in der Farbe als auch in der Struktur den eindrucksvollen Canyons des amerikanischen Westen. Im Norden wer­den die Täler lieblicher, teils wie Oasen mit Dattelpalmen bewachsen, teils lieblich grün in tausend Schattierungen, mit Terrassenkulturen, die an Südostasien erin­nern. Nur große, einladende sandige Strände wie auf Teneriffa fehlen – und es ist wohl nur diesem glücklichen Zufall zu verdanken, dass die Insel noch nicht Zer­stö­rungen gleichen Ausmaßes erfahren hat.