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San Sebastian de La Gomera
Die ersten Erkundnungen
Vallehermoso, San Sebastian
Chipude, Valle Gran Rey
Alojera, Vallehermoso
Taguluche, Garajonay
Agulo, Vallehermoso
Bosque del Cedro
Hermigua, Agulo
La Caleta, San Sebastian
 
Interessante Links
 
 
Reise Know-How Kauderwelsch Spanisch für die Kanarischen Inseln
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28. März
Bei Taguluche
Ich musste wieder hierher kommen! Das atemberaubende Panorama, das mich ges­tern bereits begeistert hatte, ist sonnenüberflutet, und von diesem Aus­sichts­punkt an der Straße nach Taguluche zeigt es sich mir als eines der beeindruckendsten, das ich je vor Augen hatte.
Keine hundert Meter weiter oben fängt der Nebel an, tief unten ist das Meer leuch­tend blau, dazwischen urzeitliche, bizarre Felsformationen, die, mal rötlich, mal braun oder graublau, wie mittelalterliche Burgen zwischen trockenen, nur mit spär­lichem Gras bewachsenen Wiesen, hell­grünen Euphorbiensträuchern und Büscheln von Margeriten herausragen.
Quer zur Küste verläuft der tiefe Einschnitt des Barranco de Guaranel, dessen dun­kel­rote Wände dem Grand Canyon Colorado nachempfunden zu sein scheinen. Nur vereinzelte Palmen am unteren Rand der Schlucht, die fast 600 Meter unterhalb mei­nes Standorts zum Meer vorstößt, verweisen auf diesen subtropischen Teil der Welt. Links vom Roque de Mona führt der Barranco de Taguluche unterhalb der zahl­reichen Straßen­kehren auf direktem Wege zu den Ausläufern des gleichnamigen Ortes.
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Barranco de Guaranel Landschaft bei Alojera Feigenkaktus
Schwindel erregend nur der Gedanke an eine Fußwanderung in diesem Gelände, ob­wohl laut Wan­der­karte ein Höhenweg von Taguluche bis nach Alojera führt. Wäh­rend ich die im wechselnden Schatten der Wolken sich ständig verändernde Fels­land­schaft genieße, nähern sich zwei Hirten mit ihren Ziegen und einem struppig aussehenden Hund der schö­nen Stelle und machen, nur ein paar Schritte entfernt, aber kaum von mir Notiz nehmend, eine Rast. Sie verspeisen schweigend ein paar mitgebrachte Orangen, trinken ein Bier aus der Aludose und schmeißen diese dann sorglos den Hang hinunter: Der "Fortschritt" ist auch hier schon angekommen.
Es geht weiter in Richtung Taguluche, die Berghänge werden immer steiler, die Landschaft immer wilder, mit jedem Kilometer wird die Dichte der Dattelpalmen größer und der afrikanische Charakter stärker. Taguluche ist nur eine Anhäufung von Häusern inmitten eines Palmenhains. Zum Meer geht es steil hinab. Kaum vor­stellbar, dass Touristen in dieser Einsamkeit ihren Urlaub verbringen möchten. Es gibt gerade eine Gaststätte, sonst ist mein Eindruck, dass ich am Ende der Welt angekommen bin. Es ist überwältigend!
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Taguluche Palmen in Taguluche Roque de Mona
Als ich zurück fahre und sehe, wie das Hochplateau wieder vollständig von den Pas­satwolken verschluckt worden ist, während über dem Meer weiterhin ein ste­chend-blauer Himmel leuchtet, kommt mir das bi­zarre Klima dieser Inseln einmal mehr ins Bewusstsein: Mit nur wenigen Kilometern Abstand begegnet man hier drastische Kon­traste. Die nördlichen Täler von Valle­her­moso und Hermigua und die Wälder in der Inselmitte, an denen sich die Wolken zu dicken Nebelbänken stauen und schließ­lich ausregnen, bleiben das ganze Jahr lang grün und üppig, während der Süden, mit seinen trockenen barrancos und seiner spär­lichen Vegetation, fast wüstenartig ist.
Es sind die von Nordost kommenden Passatwinde (alisios auf Spanisch), die das gan­ze Jahr über Feuchtigkeit vom Meer mit sich bringen. Wenn diese feuchten Luft­massen die Gebirgshöhen hinaufsteigen, dort abkühlen und zu Wolken kon­den­sie­ren, entstehen die Passatwolken, die als Tropf- und Nieselregen ihre Feuch­tig­keit wieder an die Pflanzenwelt abgegeben. Fließt die Luft wieder das Gebirge hi­nunter, erwärmt sie sich, und die Wolken lösen sich auf. So stellen die hohen Berg­rücken der Inseln eine Klimascheide zwischen dem feuchten Norden und dem trockenen Süden dar.
14 Uhr, Bar Montaña
Vor der Bar La Montaña in Las Hayas bleibe ich etwas unentschlossen stehen. Der Wind pfeift be­drohlich wie in einem zweitklassigen Krimi, und es ist merklich kühl. Eine Reihe riesiger Eukalyptus­bäume verbreitet einen angenehmen Duft, der sich mit Stallmistgeruch - ein Verbau mit Ziegen ist zu sehen - zu einer außer­ge­wöhn­li­chen Kombination mischt und seltsame Assoziationen weckt. Ich bin nicht von un­ge­fähr hier, denn Doña Efigenia, die Wirtin, und ihre vegetarische Küche werden in allen Reiseführern lobend erwähnt. Die Tische sind zu zwei langen Reihen auf­ge­stellt und vermitteln ein "alternatives" Geselligkeitsgefühl. Speisekarte bekommen wir keine. Denn es gibt sowieso nur ein menu tipico, das, so der Reise­füh­rer, nur aus frischen Zutaten aus Doña Efigenias eigenem Garten zubereitet wird, die fein­sten Kräuter immer persönlich gepflückt.
Der Hauptgang ist eine schmackhafte Suppe aus Mangold, Kichererbsen, Kürbis und Kartoffeln. Überraschend gut ist auch der darauf folgende Salat aus Tomaten, Gur­ken, Banan­en (die hier übrigens platanos genannt werden), Avokados und Äpfeln.
29. März
Im Zauberwald
Als ich vom botanischen Garten des am Rande des Nationalparks gele­ge­nen Centro de Visitantes Juego de Bolas zum Bosque del Cedro aufbreche, ist es bereits Nach­mittag. Meine Erwartungen sind gewaltig, hab ich doch so oft auf An­sichts­karten, in Reiseführern und Bildbänden riesige, mit Moosen und Flechten bewachsene Baum­stämme, fast skurrile Strukturen aus Efeu- und Lianen­ge­wächsen und ganze Tep­pi­che aus Farnen gesehen, die handfeste Assoziationen an einen tropischen Dschungel in mir weckten.
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Im Bosque del Cedro (Nationalpark Garajonay)
Die ausgedehnten und dichten Waldbestände des zentralen Berglands, die fast ein Drittel der Insel­oberfläche einnehmen, bilden das ökologische Rückgrat Gomeras.
Seit dem Jahr 1981 stehen Flora und Fauna dieses Gebiets als Parque Nacional de Garajonay unter Naturschutz. Fünf Jahre später wurde das Areal mit seinem beein­druckenden Bosque del Cedro von der UNESCO in die Liste der schütz­ens­werten Kulturgüter der Menschheit aufgenommen.
Von dem bis zu 25 m Höhe erreichenden Zedernwacholder (Juniperus cedrus), wel­cher der ganzen Gegend ihren Namen gab, ist wegen des Jahrhunderte andauernden Raubbaus zwar kaum noch ein Exemplar zu finden, aber der immergrüne Lor­beer­wald, der heute hier vorherrscht, ist mit seinen artenreichen Baumbeständen der älteste und am besten erhaltene Urwald Europas.Dieser Lorbeer­wald lebt allein von der Feuchtigkeit der Passatwolken, die sich an den Nordhängen in Höhen zwischen 600 und 1200 Metern ausregnen, wo er ein nahezu undurchdringliches Netz ur­zeit­licher Vegetation bildet.
Von der Montaña de Tobares verläuft ein Forstweg, von dem ich mir ver­spre­che, ab­seits der großen Wanderströme den bosque in voller Einsam­keit erleben zu können.
Aussteigen aus dem Auto. Stativ und Fotoapparat schultern. In den Wald eintreten. Sich an die Stille und an die Dunkelheit gewöhnen. Der Stimme der Vögel lauschen. Und schon ist es geschehen. Das Kribbeln ist da. Die Neugierde ist da. Innerhalb von Minuten bin ich dem eigenartigen Flair dieses Urwalds ausgeliefert. Im schumm­ri­gen Licht erkenne ich tatsächlich die dunklen Konturen moosbärtiger, übergroßer Bäume. Und ich brauche nur den Weg um einige Meter zu verlassen, einen ab­ge­stürz­ten Baum oder einen Geröllbrocken zu umgehen, mich durch einen Unterwuchs von Sträuchern, Kräutern und Farnen vorsichtig vorwärts zu bewegen und schon sind tausend Jahre übersprungen.
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Im Bosque del Cedro (Nationalpark Garajonay)
Manchmal jedoch dringen einzelne, zarte Sonnenstrahlen durch das Gewächse von Ästen, Lianen und tiefhängenden Flechtenbärten und bringen ein Wässerchen zum glitzern. Dann wachen die Gnome auf und tanzen. Dann bekommen uralte Sagen Gestalt. Dann legt König Arthur seine breite, kräftige Hand auf meine Schulter und flüstert mir zu: "Sag kein Wort, beweg dich nicht, lass die Stimmen, die Farben und die Gerüche des Waldes auf dich einwirken, vergesse die Zeit."
Es sind Stunden – oder sind es Jahre? –, in denen ich in meinem Stau­nen verloren bleibe. Jeder Schritt wird zur Entdeckung, jedes Stehenbleiben ein Erlebnis der Stille.
Einmal erlebe ich Bäume als totes Gerippe, das zum Himmel emporragt, als weiß­graue, blätterlose Riesen, die wie gigantische Zahnstocher aus dem dichten Grün hervortreten. Und ich frage mich, wie viele Blitze sie getroffen haben müssen, oder welches Feuer sie verbrannt haben könnte. Ein anderes Mal liegt ein Baum, vom Sturm umgerissen, am Boden, und an der Abbruchstelle leuchtet mir die rote Farbe des Holzes mit größter Intensität entgegen. Überhaupt die Farben. Noch nie habe ich so viele Nuancen von Braun erlebt wie an den Stellen, wo Einschnitte von Men­schenhand die Erde hervorschauen lassen, noch nie so ein leuchtendes Grün wie bei diesen meterhohen Farnen.


Es ist eine grüne Wildnis, in der Farngewächse, Moosschleier und Flechten, die von den Bäumen und Sträuchern herabhängen, dem Wald ein märchenhaftes Aussehen verleihen und aus ihm eine beeindruckende Mischung aus Märchen- und Regenwald machen, deren Atmosphäre man sich kaum entziehen kann.
Selbst die hässliche, verwitterte Betoneinfriedung eines alten Wasserspeichers kann den Ein­druck von Zeitlosigkeit nicht löschen. Im Gegenteil. Das stehende, sum­pfi­ge Wasser dampft unter der schwachen Sonne und die toten, mit Moosen und Flechten bewachsenen Stämme tauchen wie Gespenster aus der Wasseroberfläche auf.